„In diesem Jahr gibt es bei uns keinen Adventskranz!“ verfügte ich. „Der Weihnachtsbaum reicht. Ein Adventskranz ist ein Staubfänger. Zudem blockiert er unseren Tisch. Wo soll ich meinen ganzen Papierkram ausbreiten, wenn der Adventskranz auf dem Tisch steht? Dazu kommt die zusätzliche Brandgefahr. Adventskranz? Nein danke!“
Natürlich meldet die Familie Protest an: „Adventskranz, ja bitte“, und so. „Wir können ihn wieder, wie im letzten Jahr, über die Tür hängen“, wird vorgeschlagen. Wie kurz doch das menschliche Gedächtnis ist! Im letzten Jahr löste sich der Haken, an dem dieser Kranz hing, gerade in dem Moment, als Tante Rosemarie über die Schwelle trat. Sicher war die Erschütterung daran schuld. Tante Rosemarie ist eine energische Person. Glücklicherweise brannten am Kranz nicht auch noch die Kerzen. Na ja, sie sah nicht schlecht aus mit dem Kranz auf dem Kopf. Wie ein Feldherr, wie Cäsar. Nein, in diesem Jahr als keinen Adventskranz, trotz Erinnerungen und Tradition.
Eigentlich hätte ich klüger sein müssen..
..hätte wissen müssen, wie es kommen würde, wie es kommen musste. Zum guten Schluss, das heißt am Samstag vor dem ersten Advent, hatten wir nicht einen, sondern fünf Kränze im Haus. So werden heutzutage Beschlüsse eines Familienoberhauptes respektiert. Dass Karin, Peter und Evchen je einen Kranz, wenn auch in unterschiedlichen Größen anschleppten, konnte ich zur Not verstehen. Dass aber auch Jutta, meine Frau, ein wahres Monstrum an Kranz anbrachte, enttäuschte mich zutiefst.
Wenn nicht einmal sie mehr ein Vorbild gab und meine Entscheidungen respektierte! Der aufmerksame Leser wird nun kurz nachrechnen und dabei feststellen, dass es eigentlich vier Kränze sein müssten und nicht fünf. Wie kommt ein fünfter Adventskranz in Haus? Nun ja, man will kein Spielverderber sein. Einen kleinen Adventskranz hatte ich heimlich aus der Stadt mitgebracht. Nur so zum Abgewöhnen …
Zurückbringen konnten wir unsere Kränze nicht.
Das einzige, was zu tun blieb, war, den entsprechenden Zierrat zusammenzutragen. Kerzen hatten wir genug im Haus. Seltsamerweise auch alle anderen Utensilien, Bänder, Zapfen und so fort. Offenbar hatte da jemand aus der Familie Vorratspolitik betrieben. Man weiß ja nie, wie die Zeiten werden. Jeder packte mit an, steuerte seine Vorstellungen bei, und zuletzt waren wir im Besitz von fünf wunderschönen, festlich-bunten Adventskränzen. „So viele hatten wir ja noch nie!“ strahlte Evchen. Natürlich konnten wir sie unmöglich alle behalten. „Wir wollen es schließlich nicht übertreiben“, mahnte ich, „wer viele hat, gebe dem, der keine hat.“ So eine Redensart. Evchen schaute mich und lachte.
„Gut“, sagte sie, „dann fragen wir im Haus herum, wer keinen Kranz hat, und wer ohne ist, bekommt einen von uns."