Weg vom Rauchen - ob Sie wollen oder nicht: Rauchen aufhören
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In der ESC ist unter dem Titel "Goodnight Sweetheart" eine kleine Ausstellung der kanadischen Medienkünstlerin Audrey Samson zu sehen, bei der es um die Unmöglichkeit geht, gezielt zu vergessen.
Die aktuelle Ausstellung in der ESC, d.h.: im Medienkunstlabor zwischen Burg- und Bürgergasse, ist von der kanadischen Künstlerin Audrey Samson und steht unter dem Titel "Goodnight Sweetheart". Zu sehen sind zum einen mehrere in Kunstharzblöcke eingegossene Speichermedien, angefangen bei der guten alten Audiokassette, und zum anderen einige vis-a-vis dazu aufgehängte stumme Videoinstallationen, die die Herstellung solcher Kunstharzblöcke bebildern. Es ist der "letzte" bzw. "erste" dieser Videoloops – je nachdem, wie wir uns hier im Raum orientieren – der auffällt: Nur in diesem einen Filmschnipsel kommt eine menschliche Gestalt vor, und zwar die Künstlerin (wie wir annehmen), die sich in einer steifen, ritualisierten Geste vor dem frisch eingeharzten Objekt (wie wir wiederum annehmen) verneigt. Ah, denken wir uns: Magie und Technik … da hat ein Objekt eine Aura (schlag nach bei Benjamin) erhalten, und wird dementsprechend behandelt … oder etwa wird gebannt; dem normalen Umgang zwischen Menschen und Dingen entzogen …
…Wir setzen, was wir sehen, in Bezug zum Titel "Goodnight Sweetheart" … und haben rasch mal ein Aha-Erlebnis: Etwas wird "schlafen gelegt"; ein Haufen Information wird in große Stille (hin)eingelassen; die Information bleibt freilich erhalten (wird also nicht zerstört, "getötet", sondern nur zugleich unerreichbar und unzerstörbar gemacht) … Was zuvor bloß als kontigentes Dings, als Scharnier zwischen Information und Wirklichkeit von Bedeutung war und angesehen wurde, ist, eingegossen in Harz und aufgehängt im Ausstellungsraum, in rein körperliche Präsenz verwandelt, aber immerhin Präsenz.
Natürlich hat jedes der eingegossenen Objekte eine bestimmte Geschichte, die wir auch erfragen bzw. dem aufliegenden Ausstellungskatalog entnehmen können; aber diese Geschichten und die Zusammenhänge zwischen ihnen sind den Ausstellungsstücke selber genau so wenig anzusehen, wie einer schlafenden Person die Lebensgeschichte.
Wie uns ESC-Mitbetreiberin Reni Hofmüller auf Nachfrage erklärt, handelt es sich bei "Goodnight Sweetherart" um das erste Eigenprojekt der ESC im Rahmen ihres Jahresschwerpunkt "Nichts als Konzentration". Wir merken natürlich sofort, das kann man auf zwei Weisen lesen: "Nur Konzentration" oder "Konzentration als bloßes Nichts" bzw. als buddhistisches (?) Zerfließen, und fragen deshalb weiter: Warum ist grade das der Jahresschwerpunkt, und was haben nochmal Festplatten in Kunstharz damit zu tun?
Die Antwort, die wir erhalten, lautet dann ungefähr so: Letztes Jahr ging es in der ESC um Dystopien; um das zerstörerische Zeug, mit dem wir konfrontiert sind – und heuer hätten dem gegenüber Utopien dran sein sollen. Das geht aber nicht so schnell. Zwischen dem einen und dem anderen braucht es ein Innehalten, ein Nachdenken darüber, was wir loslassen müssen, um überhaupt mal in einen Zustand des Möglichmachens von Utopien kommen … "Nachdenken" und "Loslassen" also – "Konzentration" zum einen, "Nichts" zum anderen. Nun sehen wir nicht nur, warum dieser Jahresschwerpunkt mit einigen unerreichbar gemachten und "schlafen gelegten" Festplatten und CDs beginnt, sondern auch, warum die Künstlerin auf diesem Video da sich rituell verneigt: Es geht um die Frage, wie wir "Platz schaffen" können in uns und in der stetigen Informationsflut um uns; wie wir dem Umstand gewachsen sein sollen, dass wir buchstäblich keine; Kontrolle mehr darüber haben, welche Inforationen über uns in irgendwelchen Clouds herumfliegen. Das Zeug da im Harz ist noch da, aber es fliegt nicht; es ist rituell zur Ruhe gebracht.
Die Kanadierin Audrey Samson ist dem treuen Publikum der ESC eventuell schon länger ein Begriff. Als der jährliche "eclectic tech carnival" der Genderchangers im Jahr 2005 in Graz stattfand, war sie vor Ort (seit damals ist übrigens auch die ESC in dieses Netzwerk eingebunden); 2008 hatte sie hier eine Einzelausstellung unter dem Titel "spectres"; und seitdem kommt es immer wieder mal vor, dass die Medien- und Konzertkünstlerin eingeladen wird, wenn es zum Jahresthema passt.
Am Mittwoch, den 29. 03., gibt es übrigens im Rahmen von "Goodnight Sweetheart" noch einen Datenbalsamierungsworkshop, der von 18:00 bis 21:00 geht und bei dem die Künstlerin und Theoretikerin Uschi Reiter aus Linz sowie Audrey Samson aus London live zugeschaltet sein werden. Man wird sich bei diesem Workshop entweder "nur so" mit den Fragen beschäftigen können, die die Ausstellung aufwirft – "Welche Spuren hinterlassen wir? Löscht noch jemand seine Daten? Können wir 'unsere' Daten loslassen?" – oder man bringt einen eigenen Datenträger mit, der vor Ort real in Kunstharz "schlafen gelegt" werden kann.
Fotos von Peter Purgar aus dem ESC