Die subjektive Meinung eines "Alten Herrn" zum Thema
Die Frage, ob (nicht schlagende) Studentenverbindungen noch zeitgemäß sind, kann ich persönlich als Mitglied von Traungau Graz nur mit: “gerade jetzt“ beantworten. Man/frau sollte dazu hinter die Vorurteile schauen, die hauptsächlich drei Ursachen haben:
- Wir werden mit den schlagenden Verbindungen (Burschenschaften) verwechselt
- Das, was für uns Spaß ist und Spaß macht – von der Kneipe über den Kommers, bis zum „Verkleiden“, wird von oberflächlichen Menschen lächerlich gemacht, obwohl sie bei Priestern, Richtern, Polizisten etc. die „Verkleidung“ akzeptieren oder zumindest ignorieren und sich wundern würden, wie viel Intelligenz dazu gehört, eine gelungene Bierrede zu halten: Menschen unterhalten ist eine große Kunst!
- Angeblich ist der CV ja nur da, um Posten zu schachern
Wahlspruch des CV ist: In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas (»Im Notwendigen herrsche Einmütigkeit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem aber Nächstenliebe«).
1. CV-Verbindungen unterscheiden sich von schlagenden Verbindungen wesentlich.
- Der CV ist christlich ausgerichtet, die schlagenden Verbindungen (Burschenschaften) meist stark national.
- Bei Burschenschaften ist Fechten mit scharfen Waffen (Mensur) fast überall Pflicht, beim CV als Selbstverstümmelung verboten.
- Die politischen Gegensätze haben in finsterer Vorzeit sogar dazu geführt, dass es Tote zwischen den verfeindeten Verbänden gab, da Katholiken der Zugang zu den Unis verweigert wurde.
WikipediA schreibt zu Carolina Graz: Bekannt geworden ist sie in ÖCV-Kreisen als „Kampfverbindung“, gegründet als Gegengewicht zu den national-freiheitlichen schlagenden Korporationen in Graz, sowie als langjähriger Vorort (vorsitzende Ortsverbindung) des ÖCV im Untergrund, als der Dachverband während der Nazidiktatur verboten war. ………..
Am 21. November 1901 wurden in der Harrachgasse vor der Grazer Universität Carolinen von national-freiheitlichen Studenten überfallen. Im Februar 1906 verstarb ein Caroline nach einem Überfall an seinen schweren Kopfverletzungen. Die Tat, vermutlich von Carolinen-Gegnern verübt, wurde nie geklärt. © WikipediA
2. Die Sitten und Gebräuche
CV-Gegner erwähnen dabei immer die Feiern und Feste, bei denen viel Bier fließt. Ich denke, dass dies kein Spezifikum einer CV-Verbindung ist – (nicht nur) Jugendliche und Studenten schätzen das Bier allgemein.
Wovon nie gesprochen wird und was eben viele nicht wissen: Studenten und Studentinnen, die nicht Mitglieder einer Verbindung sind und nicht im Heimatort studieren, neigen dazu, Ihren Horizont zu verengen, indem fast alle ihre gesellschaftlichen Kontakte Studienkollegen und Studienkolleginnen sind.
Eine Studentenverbindung besteht aus Studenten und Studentinnen verschiedener Studienrichtungen und was öffentlich zumeist nicht bekannt ist: jede CV-Verbindung veranstaltet viele wissenschaftliche Abende, die dazu dienen, seinen Horizont zu erweitern. Da gibt es Diskussionen mit Außenstehenden genauso wie einen Vortrag eines Bundesbruders/einer Bundeschwester (so nennen sich die Mitglieder untereinander), der eine ganz andere Studienrichtung gewählt hat.
Die Convents der Verbindungen sind geradezu ideal, um Demokratie zu lernen und zu leben.
Man könnte da noch vieles dazu sagen – anschauen und mitmachen ist besser.
3. Postenschacher
Offensichtlich kein Männerbund – die Damen fühlen sich in der Umgebung sichtlich wohl!
Das wird dem CV vorgeworfen, was in jeder Freundesrunde und in jedem Verein, von Fischervereinen über Kegelclubs bis zum BSA „normal“ ist: wenn ich jemand kenne, hat er einen Vertrauensvorschuss bei mir. Wenn ich darüber hinaus noch weiß, wie er sich in der Verbindung bewährt hat (da gibt es teilweise strenge Regeln), noch eher. Es kann keiner „Alter Herr“ werden (so heißen die, die mit dem Studium fertig sind), der schlechten Studienerfolg hat oder keine Ämter in der Verbindung ausgefüllt hat.
Dass eine etwaige Karriere (die nur wenige erreichen durch den CV) jemand dazu bringt, 5 Jahre oder mehr Opfer zu bringen, sich sozial, politisch (ÖH) und/oder in Verbindungsämtern zu engagieren, ist doch eher ein gezielt gestreutes Gerücht.
Ich persönlich verdanke meiner Verbindung Traungau sehr viel, und versuche, an die jetzigen Aktiven einiges zurückzugeben, obwohl ich stolz behaupten kann, dass ich nie einen Auftrag durch meine Mitgliedschaft beim ÖCV an Land gezogen habe und auch nicht im Traum daran gedacht habe, diesen Weg zu gehen. Was ich gelernt habe, ist gelebte Demokratie und Menschenführung, Interessen durchzusetzen mit legalen Mitteln, Freundschaft auch wenn’s einmal schwieriger ist u.v.m.
Mag. Heinz Rüdisser (überzeugte Privatmeinung)