Die Kalauer sind zahlreich, verwegen und weit vorausschauend eingefädelt, und das wiederkehrende Jugendmessen-Geheul mit Gitarre und Kabasa ("Nimm oh Herr die Gaben die wir bringen" und so) verschafft in seiner penetrant inszenierten Naivität auch dem glaubensstärksten Atheisten einen plastischen Eindruck davon, wie sich die oarmen Sünder in der ca. Hölle fühlen. Diese beiden Eindrücke sprächen dafür, dass wir es mit eine blanken-bösen Parodie zu tun haben. Doch andererseits sind da der "Oratoriumstext" (ich nenne das Segment mal so, ja?) von Sophie Reyer sowie die "Alltagsszenen" vor dem Greenscreen, mit denen das Theater t'eig die Passion immer wieder unterbricht, um uns ganz ungebrochen sowas wie "das wirkliche Leiden im wirklichen Alltag ganz normaler Menschen" zu zeigen, also "das Kreuz, das wir tragen usw." (Krebsdiagnose, berufliche Erfolglosigkeit, Scheidung …) – beide Spielebenen sind anscheinend völlig unumwunden ernst gemeint, werden zumindest ohne interne Brüche oder Augenzwinkern dargeboten. Es sind diese Stellen, die uns, wie oben angedeutet, an "religionspädagogische Heranführung usw." denken lassen.
Die Alltagsszenen sind dabei insgesamt das schwächste Glied in der Kette dieses Passionsabends; sind zu vorhersagbar, zu didaktisch-pseudonaturalistisch gespielt, auch zu, eben, pädagogisch. Das "Oratorium" dagegen – ein Stück intensiver Prosa von Sophie Reyer, gesprochen aus der Warte des Kreuzes, das Jesus schleppt; ein deutlicher erotisch aufgeladener Nachbau der Quälerei aus Mel Gibsons Christusfilm mit den Mitteln zeitgenössischer Literatur – ist das interessanteste an dieser "Passion", weil es das einzige Segment ist, das nicht von der weiter oben geschilderten ambivalenten Ironiegeste an Ort und Stelle gehalten wird, sondern auch ganz auf sich gestellt funktioniert. Doch selbst dieses Stück Text, insofern es in eine Art "chemische Hochzeit" zwischen Holz und Fleisch gipfelt, will auf irgendeine Art von Metaphysik, oder zumindest Sinnstiftung hinaus …
… Und damit ist wiederum gesagt, dass die "Passion" nach Theater t'eig nicht für jedermann sein wird: Wer im Große-Ganzen prinzipiell ein ungebrochenes Verhältnis zu den Denk- und Jahreskreis-Traditionen hat, auf denen dieser Theaterabend aufsitzt, wird sich wohl gut unterhalten und angeregt finden. Wer dagegen das Insistieren auf einen extrinsischen "Sinn" bereits für eine Zumutung hält und dementsprechend mit Anspannung und inneren Widerständen auf die Inszenierung von Gebeten und religiösen Ethikdiskursen reagiert (wie beispielsweise der Rezensent), für den wird das besuchen dieser "Passion" selbst zum Leidensweg werden.
Stefan Schmitzer