Das zweite, worüber wir uns bei der Kuratoreneinführung in Mohammadis Fotoausstellung aufgeklärt finden, ist, dass wir da gerade in Gefahr schweben würden: Wer an die Magie der Talismane glaube, um die es hier geht, auf den würden sie wohl auch wirken. Sollen wir eine Warnaufschrift anregen, in der Art von: "Zutritt nur für gefestigte Materialisten"? - Besser nicht. So, wie es ist, bietet das Ausstellungssetup die Voraussetzung, über die Transformation primitivistisch-magischer in kunstweltliche Ausstrahlung von Objekten nachzudenken.
Was da nun an den Wänden hängt, sind lebensgroße Fotodrucke. Auf ihnen zu sehen sind Inszenierungen von je ein-zwei androgynen, aber eher Richtung Frau tendierenden Menschen mit mehr oder minder fantastischer Kostümen, Prothesen und Requisiten, vor schwarz-goldenen Hintergründen; umgeben, ja umschwirrt und zum Teil sogar beschriftet von mutmaßlichen arabischen Schriftzeichen und Zaubersymbolen. Selbst, wenn wir vom tatsächlichen Kontext nichts wissen, können wir also vermuten, dass die Darstellungen erstens etwas mit dem Alltag von Frauen zu tun haben, die zweitens dem islamischen Kulturkreis angehören. Ohne zusätzliche Handreichung für uns nicht ohne Weiteres zu entschlüsseln ist die Frage, wo – drittens – diese uns gezeigte Bildsprache herkommt: Ist sie "echt", dh. hat sie was mit tatsächlicher Archaik zu tun, die in einen gelebten Alltag reinsuppt (sagen wir: vergleichbar mit Votivgaben im Alpenraum), oder handelt es sich um eine künstlerische Behauptung, eine ungefähr surrealistische Rekonstruktion nach Maßgabe eines bestimmten Regelwerks? – Zum Glück liegt diese zusätzliche Handreichung vor, bzw. hängt ganz klein neben den großen Fotos: In Form von Abbildungen der tatsächlich im Iran in Gebrauch stehenden Talismane, die Maryam Mohammadi da nachstellt. Spannend daran ist nicht zuletzt der Versuch, über den Zweck des jeweiligen Amuletts zu grübeln – "gegen die Impotenz des Ehemanns"; "für das baldige Auftauchen einer brauchbaren Schwiegertochter"; "für Schwangerschaft" usw. – und auf diesem Umweg Einblick in einen ganz realen, gar nicht so fremdartigen Alltag zu erhalten.