Jäckl trägt im Zweifel lieber zu dick als zu dünn auf. Die Thesen und Welthaltigkeiten, die ihr wichtig sind, deutet sie nicht an, sondern buchstabiert sie neben dem und im eigentlichen Text mit aus. Dies wissend, rechnete ich nicht damit, im Zuge dieser Aufführung sonderlich nuancierte Dialoge zu hören zu bekommen – und wurde eines besseren belehrt. Überraschenderweise sind die Figuren in dieser Elektra Leute und keine Pappfiguren (klar – das Pappfigurige kann die Autorin getrost alles dem antiken Tragödienchor umhängen, hier verkörpert durch drei weibliche Hofschranzen Klytemnestras). Will sagen: Auch die Dialoge knallen.
Es gibt auch etwas, das nicht so knallt an dieser Elektra, und Jäckl und das TiK sind so freundlich, dieses Etwas in ein einzelnes, klar bezeichenbares Element dieser Inszenierung zu packen: Die neu eingeführte Figur des Arztes oder Psychiaters verkörpert Männlichkeit, Rationalität, Macht, Vergewaltigung (mit Spritze-als-Penis), Kontrolle, Gesetz. Ihm gegenüber steht eine Krankenschwester (oder Putzfrau?), die sich im Lauf des Stücks zur (entrückten) Mutter Maria und wieder zurück wandeln wird … In dieser Gegenüberstellung ist, quasi im unkritisierbaren Hintergrund der eigentlichen Handlung, jede Hoffnung auf ein Verstehen, auf ein besseres Zusammenleben, auf ein Ende der alltäglich-familiären Gewaltspiralen suspendiert und aus der (empirischen, der Vernunft zugänglichen) Wirklichkeit ins Reich religiös-transzendenter Grenzerfahrungen verbannt …
Eine Elektra im Sinne Foucault‘scher Aufklärungsskepsis also, sehenswert bunt, und am sehenswertesten vielleicht an jenen Stellen, da die Handlung einfach vor sich hinläuft, ohne sich uns auch noch in Echtzeit erklären zu wollen.
Inwiefern sehenswert - absolut! Kartenreservierung für das Theater im Keller
Stefan Schmitzer
Credit: Wegscheidler/TiK