Euch kann ich´s ja sagen – nichts, aber schon absolut überhaupt gar nichts ist mir heiliger.. Wie kann ich dem Pferd gerecht werden? - fragt sich Daniela Kummer.
Der Begriff Sekte, im Volksmund negativ besetzt - andere Begriffe, um vorschnelle Diskriminierungen zu vermeiden. Kein Grund mehr zur Angst bei Eltern?
Wenngleich es um jene Gruppen, die wir gerne als „Sekten“ bezeichnen, mit Ausnahme von Scientology medial etwas ruhiger geworden ist, gibt es sie immer noch.
Tempora mutantur et nos mutamur in ipsis - Die Zeit wird verändert und wir in der Zeit - Das Bild ist aus dem illustrierten Sektenkatalog eines unbekannten Künstlers (um 1647) – darin sind die Jesuiten, der Orden des derzeitigen Papstes Franziskus, noch ganz prominent als Sekte angeführt!
In der Steiermark und in Graz treten sie öffentlich-werbend fast nicht in Erscheinung, das „Sektenleben“ spielt sich meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Zahl der Menschen, die in diesen Gruppen aktiv sind, ist die letzten zwanzig Jahre nicht nennenswert gestiegen. Die Probleme jedoch, die manche dieser Vereinigungen verursachen, sind laut den Erfahrungen im Rahmen der Beratungsstelle LOGO ESO.INFO gleichbleibend.
Der Autor dieses Beitrages - Roman Schweidlenka - ist Sektenexperte bei Logo und den Jahresbericht 2012 von ESO.INFO gibt es hier als PDF
Kaiser und Gott
„Grüner Caesar“, frühes 1.
Jahrhundert n. Chr.,
Antikensammlung Berlin -
Jeder Wissenschaftler ist daher gezwungen, nach einer speziellen Arbeitsdefinition vorzugehen. Unumstritten ist, dass „Sekte“ von lateinisch secta = Regel, Denk- und Handlungsweise kommt. Ursprünglich bezeichneten Sekten die verschiedenen philosophischen Schulen, die durch die Verschiedenheit ihrer Prinzipien und Methoden sich gegenseitig ausschlossen.
Auch das frühe Christentum wurde als Sekte im römischen Reich betrachtet, wobei die Römer in der Regel toleranter mit ihren vielfältigen Glaubensgruppen und Mysterienbünden umgingen als das spätere europäische Mittelalter. Da die Urchristen dem Kaiser die Unterwerfung verweigerten – römische Cäsaren hatten die überhebliche Angewohnheit, sich als Götter verehren zu lassen - wurden sie allerdings als politisch gefährliche Gruppe eingestuft, was in einzelnen Abschnitten der antiken Geschichte in den hinlänglich bekannten Christenverfolgungen gipfelte.
Auch das frühe Christentum wurde im römischen Reich als Sekte betrachtet, wobei die Römer in der Regel toleranter mit ihren vielfältigen Glaubensgruppen und Mysterienbünden umgingen als das spätere europäische Mittelalter
Nachdem die katholische Kirche an die Macht gekommen war und ihrerseits nun die Heiden rigoros verfolgte, bezeichnete „Sekte“ im kirchlichem Sprachgebrauch kleinere religiöse Gruppen, die sich durch die Verschiedenheit der Lehre, des Kults und der Sitte von der großen etablierten und herrschenden Kirchengemeinde absonderten.
Christian Science Plaza, Boston - Scientology
Für den modernen Menschen sind die historischen Überlegungen freilich bestenfalls im Sinne einer Allgemeinbildung von Interesse. Heute sind „Sekten“ – und hier folge ich der eingangs erwähnten persönlichen Arbeitsgrundlage - eine Bezeichnung für religiöse Gruppen
Transzendentale Meditation - lt. Wikipedia eine Sekte - Maharishi Mahesh Yogi (2007)
Da der Begriff Sekte zur Zeit im Volksmund höchst negativ besetzt ist, werden von manchen Wissenschaftlern u.a. die Begriffe
vorgeschlagen, um vorschnelle Diskriminierungen zu vermeiden.
Nicht von Zweifeln oder dem Drang zu differenzieren angekränkelt sind die Bayern: Broschüre des bayerischen Staates über Scientology zwischen Broschüren über „islamischen Extremismus“ und „organisierte Kriminalität“ in einem Münchner Touristenbüro
Nun ist das Wirken so genannter Sekten nicht ohne die umgebende gesellschaftliche Situation zu verstehen. Schon im Römischen Reich erhielten diese Gruppen verstärkten Zulauf, etwa im 3. Jahrhundert n.Chr., als das gesellschaftliche Leben als unsicher und zu wenig identitätsstiftend empfunden wurde.
Scientology Kirche Hamburg
Betrachten wir die zeitgenössische aktuelle gesellschaftliche Situation, so fällt auf, dass als Gegenpol zur allseits gepriesenen Individualisierung (welche eine angepasste, konformistische Individualisierung ist), eine starke Suche und Sehnsucht nach Gemeinschaft viele Menschen, darunter viele Jugendliche, bewegt. Gemeinschaftsangebote, sind sie auch mit Askese, Selbstaufopferung und unbezahltem Arbeitseinsatz verbunden, zählen zu den stärksten Lockmitteln, über die problematische religiöse Gruppierungen verfügen.
Werbeplakat für die Oxford-Persönlich-
keits-Analyse von Scientology
Findet dann das so genannte love bombing, d.h. das Überschütten mit Zuneigung und Aufmerksamkeit statt, wie es die Forschung z.B. von der Vereinigungskirche (vulgo „Munsekte“) kennt, sind schnell Bindungen geknüpft, aus deren Bann sich der Einzelne oft schwer lösen kann.
Auch die Entgrenzung des Raumes, d.h. die ständig voranschreitende Auflösung traditioneller Identitäten und der Beheimatung in Dorfgemeinden und Stadtvierteln, die Auflösung lokaler und regionaler Bezüge in einem globalisierten Welteinheitsbrei verunsichern viele Menschen, die sich zunehmend orientierungslos fühlen. Dazu verflüchtigen sich alte Werte und Strukturen, die noch Sicherheit und Beheimatung bereitstellten, auch wenn diese Sicherheit vielfach von Zwängen verschiedener Art gekennzeichnet war. Neben der freiwilligen Mobilität, eine Errungenschaft unserer modernen Welt mit ihren technischen Möglichkeiten, steigt jedoch auch die unfreiwillige Mobilität, z.B. verursacht durch die Abwanderung aus einer ländlichen „Heimat“ in städtische Ballungsräume zwecks Arbeitsplatzmöglichkeiten.
Heute sehen wir einen wahren Dschungel an Angeboten, in dem gegenwärtig so genannte Sekten zahlreiche Problemfelder aufweisen. Die wichtigsten sind:
Das Siegel des Baphomet, eine im
Satanismus häufig verwandte
Variation des Drudenfußes.
In der Umschrift steht in hebräischer
Schrift „Leviathan“.
Das Symbol der Vereinigungskirche
(Moon-Sekte bzw. Mun-Sekte)
Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON, Kurzform von International Society for Krishna Consciousness), im Westen besser bekannt als Hare-Krishna-Bewegung, Ordensmitglieder bei einem Harinam in der Leipziger Innenstadt
Das Recht auf Religionsfreiheit, in langen sozialen Kämpfen erstritten, muss als hohe demokratische Errungenschaft gewahrt werden, allerdings ist es zugleich demokratischer Auftrag, aufklärende Informationen als Alternativangebot zu sich selbst beweihräuchernden „Sektenwerbungen“ für die Bevölkerung zu erarbeiten und bereit zu stellen.
Bei christlichen Ansätzen tut sich nicht nur die Amtskirche oft schwer mit der Unterscheidung in Religionen und/oder Sekten
Die Zeit, in der Jugendliche vor der Schule oder auf dem Schulweg angesprochen wurden, ist in der Steiermark vorbei. Jugendliche sind freilich eine wichtige Zielgruppe geblieben, bei Scientology steht die Anwerbung Jugendlicher hoch im Kurs.
Eigene Programme wie z.B. „Jugend für Menschenrechte“ sollen junge Menschen für die Organisation anwerben.
Geschickt versucht Scientology laut deutschen Verfassungsschutzberichten gegenwärtig auch, über facebook und andere online-Möglichkeiten Jugendliche zu ködern. Die Werbung mit Flyern und Broschüren ist zur Zeit bei so genannten Sekten dünn gesät, auch die Ansprechbarkeit via Internet sollte nicht überschätzt werden. Die meisten neuen Mitglieder so genannter Sekten werden über Freunde und Verwandte, manchmal auch am Arbeitsplatz gewonnen.
Der persönliche Kontakt, das Gespräch von Mensch zu Mensch, zunehmend Mangelware in unserer übersteigerten Facebookkult-Gesellschaft, hat hier magnetische Wirkung. Ein kleiner Teil späterer Anhänger wird über Inserate und Seminarangebote angeworben, deren Urheber oft nicht erkennbar sind.
Scientology-Stand in einer Fußgängerzone
Bleibt die Erwähnung, dass auch viele fundamentalistische Gruppen, die sich auch in der Steiermark im außerkirchlich-christlichem, am Rand der etablierten Kirchen und im Bereich des Islam verbreiten, Merkmale aufweisen, die ich an Hand der so genannten Sekten kurz angesprochen habe.
Auch die wenigen satanistischen Orden, die als gesellschaftliche Randerscheinung tätig sind, fallen in diese Kategorie, ja auch im breiten Feld der sonst eher „lockeren“ Esoterikszene gibt es immer wieder kleine Gruppierungen, die durchaus sektenähnliche Merkmale aufweisen.
Roman Schweidlenka