Er glaubt, dass man diese Informationen aus den verschlüsselten Datensätzen herauslesen kann. Mag schon sein. Aber hat es auch jemand getan oder versucht? Gibt es dafür auch nur den Schatten eines Beweises?
Kein Beweis, lediglich die These eines Computer-Freaks, dass man zu viele Informationen aus den verschlüsselten Datensätzen herauslesen kann
Weil ich ein langes Brotmesser in der Küche habe, bin ich ja auch noch kein Mörder. Oder ist das für die Staatsanwälte jetzt plötzlich ein Beweis, wenn etliche Medien etwas behaupten, und wenn daraufhin ein paar Sozialversicherungsfunktionäre sowie Politiker aus Regierung wie Opposition aufgeregt zu plappern beginnen?
Von den medial-politischen Hysterikern wird gerne der Fall konstruiert, dass eine Pharma-Firma durch solche Studien entdecken könnte, dass der Arzt X ihre Produkte weniger oft verschreibt als der Arzt Y. Selbst wenn das so wäre, wofür es auch keine Beweise gibt, kann man nur sagen: Na und? Das einzige, was eine solche Firma dann tun könnte: Sie lässt nochmals diesen Arzt aufsuchen und ihm ihr Produkt anpreisen (wenn man einen Termin bekommt). Ich sehe aber weit und breit keine Druckmöglichkeit gegen die praktizierenden und verschreibenden Ärzte (höchstens gegen forschende, aber die haben ja keine Daten zum Weitergeben, sondern brauchen sie dringend).
Die Pharma-Firmen könnten ja Ärzte bestechen! Nun, das tun oder versuchen sie doch seit jeher.
Am liebsten würden sie ohnedies alle Ärzte bestechen. Daher sind aber – voll zu Recht! – in den letzten Jahren die Grenzen dessen schon viel enger gezogen worden, was eine Firma einem Arzt zukommen lassen kann. Beispielsweise individuelle Einladungen zu Kongressen sind längst schon strikt verpönt.
Die Ärzte werden ja nicht bestochen – sie bekommen Geld für Arbeit! Dieses Recht haben selbst ganz altruistische Menschen!
Ein Schaden entsteht nur dann, wenn ein Arzt einem Patienten die Therapie A angedeihen lässt, obwohl er überzeugt ist, dass die Therapie B besser ist. Nur: Von diesem – schlimmen, ja kriminellen – Fall ist die Weitergabe von kollektiven Gesundheitsdaten so weit weg wie ein neuentdeckter Stern von der Erde.
Kein Medium hat jedenfalls bisher auch nur den Hauch eines Beweises für etwas Strafbares vorgelegt. Aber die mediengeile Korruptionsstaatsanwaltschaft hat dennoch schon – von sich aus, ganz ohne Anzeige! – sofort zu arbeiten begonnen. Für die angezeigten und eindeutig kriminellen Vorgänge auf dieser Welt hat die Staatsanwaltschaft hingegen keine Zeit und unternimmt so gut wie gar nichts. Das zeigen zahllose Beispiele.
Wir stehen also vor einem absoluten Nullthema.
Aber es zeigt paradigmatisch auf, wie leicht grundlose Hysterie zu erzeugen ist. Und man kann nur hoffen, dass diese am Ende nicht schädliche Gesetze und Verordnungen auslöst. Aber zum Glück dürften die abwechslungsgierigen Medien bald einen Misthaufen weiter gackern, bevor die Politik eilfertig reagieren kann. Ich wäre jedenfalls froh, wenn meine Daten ein Tausendstel zu irgendeinem medizinischen Fortschritt beitragen könnten.
Das Alles heißt übrigens nicht, dass ich Ärzte für Engel halte. Keineswegs.
Eine verbrecherische Ärztin konnte jahrelang unter skandalösen Bedingungen Abtreibungen vornehmen
Es hat mich zum Beispiel schwer erstaunt, wie sehr alle – Medien bis Ärztekammer bis Politik – desinteressiert waren, als unlängst der Fall einer seit Jahrzehnten schwer verbrecherischen Ärztin bekannt geworden ist, die unter skandalösen Bedingungen Abtreibungen vorgenommen hat. Ihretwegen haben viele Frauen schwere Körperverletzungen davongetragen. Aber Abtreibungen sind ja offenbar für alle diese Akteure etwas Gutes und Lobenswertes. Da darf man doch politisch korrekt nicht viel über eine Pfuscherin schreiben.
Eine Spur harmloser, aber noch immer sehr übel sind auch jene Ärzte, die bei Patienten mit Krankenzusatzversicherung viel häufiger zu Operationen raten als bei Patienten mit bloßer Sozialversicherung. Es sollte bereits die bloße Tatsache misstrauisch machen, dass schon bei der Datenaufnahme nach dem erstmaligen Betreten einer normalen Ordination die Assistentin automatisch nach der Zusatzversicherung fragt.
Die Gesetze der Medien haben heute jedenfalls eine ganz andere Wertordnung: In dieser müssen beispielsweise Pharma-Firmen immer böse sein (selbst wenn ihre Produkte im Lauf der Zeit schon viele Leben gerettet haben); das muss ja schon deswegen der Fall sein, weil Pharma-Firmen meist börsennotiert sind. Hingegen müssen Abtreibungsärzte, und seien sie noch so unfähig (die also nicht nur das Leben der abgetriebenen Kinder auf dem Gewissen haben), immer irgendwie gut sein. So schaut halt die linke "political correctness" aus. Bleibt nur zu hoffen, dass sich – falls es wirklich zu Prozessen kommt – zumindest Richter der gegenwärtigen Hysterie zu entziehen wagen.
Die Fahne von Wikileaks. Hier ist die Redaktion von INFOGRAZ.at nicht der Meinung von Andreas Unterberger: es werden sehr wohl Vorgangsweisen abgestellt, seit sie bekannt geworden sind
PS: Absurderweise führen oft die gleichen Medien, die da plötzlich so datenpuritanisch auftreten, heftige Heiligsprechungs-Kampagnen ausgerechnet für jene Menschen, die Unmengen von geheimen Daten ganz anderer Art an die Öffentlichkeit gebracht haben. Damit sind die diplomatischen, politischen und Abhördaten gemeint, die der Soldat Manning, der Spion Snowden oder der Wikileaker Assange weitgegeben haben. Ich will heute diese Enthüllungen gar nicht im Einzelnen bewerten.
Aber keine einzige davon dürfte – im Gegensatz zur Weitergabe medizinischer Statistiken – auch nur im Entferntesten das Potenzial haben, Menschenleben zu retten.
Nicht nur „gschmackige Geschichten“ – manches musste einfach an die Öffentlichkeit und vieles müsste noch!
Die Enthüllungen dienen vielmehr meist zu etwas anderen: Sie verschafften den Medien gschmackige Geschichten. Die Aufdeckungen wirklich krimineller Machenschaften (wie Lucona, Watergate, EADS-Gelder für den Edlinger-Verein Rapid, Kärnten und FPÖ-nahe Agenturen) sind hingegen selten geworden.
© Andreas Unterberger
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