Es war eine eher kluge Entscheidung der EU-Kommission, den zehnten Jahrestag der Einführung des Eurobargeldes am kommenden Sonntag nicht groß zu feiern, sondern diskret zu übergehen. Denn wenn es in diesem Zusammenhang etwas zu feiern gibt, dann höchstens den Umstand, dass der Euro seinen zehnten Geburtstag noch erlebt.
Genau zehn Jahre, nachdem wir am Neujahrsmorgen 2002 die ersten Euroscheine aus den Bankomaten zogen, kann die Einheitswährung leider nicht als wirklich brüllende Erfolgsgeschichte beschrieben werden. Zwar hat der Euro seither gegenüber dem Dollar deutlich an Wert gewonnen und blieb die Geldentwertung in der Eurozone in diesen zehn Jahren im Großen und Ganzen relativ niedrig. Doch diesen Vorteil genossen auch die Nutzer anderer Währungen.
Höchst ungewisse Zukunft der Einheitswährung
Vor allem aber steht diesem unbestreitbaren Nutzen heute die höchst ungewisse Zukunft der Einheitswährung gegenüber: Ob und in welcher Form der Euro seinen 20. Geburtstag erleben wird, ist ungewiss; und das ist so ungefähr das Bedenklichste, was man über eine Währung sagen kann. Mit dem heutigen Wissen würde der Euro eher nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form eingeführt werden.
Die politischen und ökonomischen Ursachen dieses Problems sind relativ gut bekannt: die Abschaffung der D-Mark als Preis für die deutsche Einheit, die betrügerischen Bilanz-Machinationen der Griechen oder die kriminelle Energie, mit der ab 2004 sowohl Frankreich als auch Deutschland die vereinbarten Stabilitätsregeln brachen. Dazu kam noch eine Dosis Größenwahn der wichtigsten politischen Akteure, die schon ihren Platz in den Geschichtsbüchern als Gründerväter eines europäischen Staates greifbar nahe sahen – und sich dabei nicht von irgendwelchen Erbsenzählern und drögen ökonomischen Argumenten bremsen lassen wollten.
Nationale Charakteristika der Europäer
Der gravierendste Fehler bei der Einführung des Euro wird freilich bis heute verdrängt: Die unausgesprochene Annahme, bestimmte nationale Charakteristika – südlicher Schlendrian, nördliches Strebertum – würden mit der Zeit verschwinden und einer Art europäischer Identität Platz machen. Es war die Annahme, dass sich die Mentalität spanischer Geschäftsleute, griechischer Finanzbeamter und portugiesischer Politiker früher oder später nicht mehr wesentlich von der ihrer deutschen, belgischen oder niederländischen Kollegen unterscheiden würde.
Das war, wie wir heute wissen, eine etwas naive Annahme. Deutsche und Griechen, Nordeuropäer und Südeuropäer sind in ihrer Mentalität heute so unterschiedlich wie eh und je, und das stellt eine permanente Gefahr für den Euro und letztlich das ganze europäische Projekt dar. Denn wenn diese Unterschiede in den Mentalitäten bleiben, dann werden die Nordeuropäer irgendwann einmal nicht mehr bürgen und zahlen wollen und damit die Union in ihrer heutigen Form sprengen.
Die EU als eine Art Umerziehungsanstalt?!
Beseitigt werden können diese Unterschiede jedoch nur, wenn die EU zu einer Art Umerziehungsanstalt wird, die aus lebensfrohen Südeuropäern bienenfleißige Mittelmeer-Preußen macht, die pünktlich ihre Steuern zahlen. Was von denen wohl zu Recht als Albtraum empfunden würde.
Ob Europa sowohl seine Vielfalt der Mentalitäten als auch seine einheitliche Währung behalten kann, ist deshalb eher fraglich.
© Christian Ortner "Presse"