Euch kann ich´s ja sagen – nichts, aber schon absolut überhaupt gar nichts ist mir heiliger.. Wie kann ich dem Pferd gerecht werden? - fragt sich Daniela Kummer.
Jeder Mann wird für sich die Frage beantworten können, ob er sich in "große Töchter" gemeint fühlt oder nicht. Aber Frauen sollen behaupten, "große Söhne" schließe alle ein.
Angeblich ist es ein typisches Sommerlochthema, wenn darüber diskutiert wird, dass auch Frauen in der Bundeshymne vorkommen sollen. Allerdings gibt es bereits seit 20 Jahren immer wieder Anläufe, auch die "großen Töchter" des Landes zu berücksichtigen.
Und jeder Mann wird für sich die Frage beantworten können, ob er sich und seinesgleichen in "große Töchter" gemeint fühlt oder nicht. Aber Frauen sollen behaupten, "große Söhne" schließe alle ein. Es bleiben noch die "Brüderchöre" und das "Vaterland":
"Einig lass in Brüderchören,
Vaterland, dir Treue schwören.
Vielgeliebtes Österreich,
Vielgeliebtes Österreich."
Wie wäre es mit:
"Einig lass in Schwesterchören,
Mutterland, dir Treue schwören.
Vielgeliebtes Österreich,
Vielgeliebtes Österreich."
Feministinnen - und nicht nur sie - werden nun grinsend an Textpassagen wie diese denken:
"'Schließlich sind es immer noch die Männer, die die Kinder bekommen', sagte Direktorin Bram und blickte über den Rand der Egalsunder Zeitung zurechtweisend auf ihren Sohn. Es war ihr anzusehen, dass sie gleich die Befrauschung verlor."
Dieser Anfang eines Romans erheitert auch heute viele Menschen immer wieder, ist "Die Töchter Egalias" doch eine exakte Umkehr unserer Gesellschaft. Der widerspenstige Sohn soll gezähmt werden, weil er sich mit "Seefrauenromantik" befasst, eine männliche Taucherin werden will, statt "Jünglingsromane" zu lesen und brav einen "Penishalter" zu tragen. Auch in Egalia waren es die Frauen, die schwanger wurden, sie brachten die Kinder aber groß gefeiert im "Gebärpalast" zur Welt, wo sie dann den Männern anvertraut wurden.
Im Geschichteunterricht bei Herrlein Uglemose lesen die Kinder Texte wie diesen: "Felddame Siemanaricha ist eine der denkwürdigsten und faszinierendsten Gestalten in der Geschichte Egalias. Es sind uns von ihr einige Tagebuchaufzeichnungen überliefert. Sie verraten einen streng logisch-strategischen Sinn, aber gleichzeitig eine mitwibschliche Wärme und ein Gefühl für Gerechtigkeit, und das zusammen macht gerade ihre Größe aus."
Damals bestand die Reiterei aus Frauen, es gab aber Männer als Fußsoldaten: "Auf uns mag es heute brutal wirken, dass wir einst Männer in den Krieg schickten, Die Forscherinnen haben darauf hingewiesen, dass dadurch auch die Kampfmoral geschwächt worden sei."
Die Sehnsucht, auch hier liegen zu dürfen?
Wer mit dem Bundesheer zu tun hat, weiss, dass viele noch mit geschwurbeltem Pathos vorgebrachte Ansichten haben, wonach nur Männer, die mit Waffen umgehen können, richtige Männer sind - Frauen hingegen Menschen zweiter Klasse.
Sprache spiegelt gesellschaftlichen Ein- oder Ausschluss wider, Sprache suggeriert auch, dass in Bereichen nur Männer vorhanden sind, in denen längst auch Frauen gestalten. So kann Sprache dazu beitragen, dass sich überholte Auffassungen halten, die keinen Bezug zur Realität mehr haben. Luise F.Pusch ist für ihre Glossen zur Sprache bekannt und gratuliert Österreich zur Töchterhymne. Sie schreibt unter anderem:
"Seltsam übrigens, dass das angeblich so unwichtige Thema 'Geschlechtergerechte Sprache' in sämtlichen Mainstream-Medien regelmäßig bei weitem die meisten Kommentare generiert, kurz: am wichtigsten genommen wird." Und es gibt Aktivitäten auf Facebook:
"Umgehend gründeten stramme Maskulinisten auf Facebook Anti-Töchterhymnen-Blogs, in denen wir die großen Söhne Österreichs beim beleidigten Schwadronieren beobachten können: Sie seien keine 'Töchtersöhne', maulen sie. Aber natürlich sind sie das, alle Männer - was denn sonst"
Luise F. Pusch verweist auch auf die Anhäufung von Brüderlichkeit und Vaterlandstreue in Hymnen. Auch wenn die Gemeinten meinen, es sei ganz und gar unwichtig, ob sich die Nichtgemeinten auch gemeint fühlen - es werden so auch Assoziationen verfestigt.
Militärische Genderpolitik, bei uns noch unterentwickelt, aber in Ländern wie den USA, Großbritannien oder Deutschland ernst genommen, befasst sich auch mit den Bildern im Kopf von Bürgern, die schützen und Bürgerinnen, die beschützt werden. Denn aus der Erwartung, dass nur Männer "treu für das Vaterland" kämpfen und dabei kameradschaftlich-brüderlich zusammenhalten, scheint sich auch Diskriminierung von Frauen zu legitimieren.
In Großbritannien werden neue Bilder aktiv durch die Öffentlichkeitsarbeit des Verteidigungsministeriums vermittelt.
Professionalisierung bedeutet hier, dass sich Anforderungen entsprechend dem technologischen Wandel verändern. Muskelkraft hat nicht deswegen nicht mehr die Bedeutung, damit auch Frauen zu Soldaten ausgebildet werden können, sondern weil Aggressivität und physische Stärke heute weniger wichtig sind. Dabei sind Frauen, deren Oberkörperkraft meistens geringer ist als die der Männer, in der Regel die besseren und genaueren Schützen.
Notfallhilfe für Gewaltopfer im Nigerdelta
Ein wichtiger Aspekt militärischer Einsätze, jene unter UN-Mandat, bedarf ohnehin meistens der Zusammenarbeit mit zivilen Organisationen.
Diese sind mittlerweile als Krisenfeuerwehr oft weitaus schneller vor Ort als militärische Kräfte und müssten in ihrer Rolle als Schützende und Helfende auch im allgemeinen Bewusstsein mit den Armeen gleichziehen.
Was die Vorstellungswelt betrifft, die in Hymnen zum Ausdruck kommt, gibt Luise F. Pusch ohnehin zu bedenken: "Diese feste Verbindung zwischen Nationalstolz und Machismo - die Brüder schließen sich zusammen unter Ausschluss der Frauen - sollte uns zu denken geben. Wollen wir diese Lieder für einen Männergesangverein überhaupt mitsingen?
Ernährungszentrum im Flüchtlingslager
Die Feministin Hedwig Dohm sagte einst, lange vor gegenderter Sprache:"
Unmöglichkeiten sind Ausflüchte steriler Gehirne, schaffe Möglichkeiten." Jeder Einbruch von Frauen in Männerbastionen begann damit, dass der Glaube an eine klare Trennung von Sphären verweigert wurde. Am Anfang war die Vorstellung einer gleichberechtigten Gesellschaft, für die meistens mit Argumenten der Logik gefochten wurde.
John Stuart Mill, Politiker, Humanist, Feminist des 19. Jahrhunderts schrieb in "The Subjection of Women" ("Die Hörigkeit der Frau"):
"Solange eine Meinung sehr fest im Gefühl wurzelt, wird sie sich durch ein gegen sie geltend gemachtes Übergewicht von Argumenten nicht erschüttern lassen, sondern weit eher an Stabilität gewinnen.
Wäre die Meinung als Resultat eines Argumentes gebildet worden, so dürfte man hoffen, die Widerlegung desselben werde auch die Festigkeit der Überzeugung erschüttern; beruht sie jedoch lediglich auf Gefühlen, so wird man sich, je schlechter man vor dem Angriff der Argumente bestehen kann, um so eifriger daran klammern und sich überreden, die Gefühle müßten einen tieferen Grund haben, einen Grund, den die Argumente gar nicht zu erreichen vermögen. Solange das Gefühl besteht, wird es nicht aufhören, neue Verschanzungen aufzuführen und die in die alten gelegte Bresche wieder auszufüllen."
Man sieht dies etwa, wenn behauptet wird, die Bundeshymne werde doch in der von Paula von Preradovic eingereichten Fassung gesungen. Also kann man doch nichts am Text ändern, das hiesse, das Werk einer Autorin anzutasten - noch dazu von einer Frau!
Tatsächlich schrieb sie aber:
Land der Berge, Land am Strome
Land der Äcker, Hämmer, Dome
Arbeitsam und liederreich.
Großer Väter freie Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich."
Wir singen derzeit noch:
Land der Berge, Land am Strome
Land der Äcker, Land der Dome
Land der Hämmer, zukunftsreich,
Heimat bist du großer Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich.
Würde die Meinung der 70%, die nach Umfragen eine Änderung ablehnen, nach Ratio und Einsicht gebildet, müsste einleuchten, dass 1947 "großer Väter freie Söhne" zu dick aufgetragen war, es also möglich war, das Pathos ein wenig zurückzunehmen und nur die "großen Söhne" zu besingen. Also kann es 2011 auch an der Zeit sein, der Töchter zu gedenken. Und es müsste absurd erscheinen, dass in der steirischen Landeshymne ein Gebiet gerühmt wird, das bis an Drau und Save reicht.
Die Gefühle haben, wie schon John Stuart Mill feststellte, einen tieferen Grund, den Argumente nicht erreichen können.
Sprachliche Gleichstellung impliziert gesellschaftliche Gleichberechtigung, auch wenn sie nicht mit ihr einher gehen muss. Ein problematischer Aspekt bei gendergerechter Sprache ist, dass sie auch über Probleme und geringe Vertretung von Frauen hinwegtäuschen kann.
Manche behelfen sich damit, je nach Thema zu gendern, die männliche Form zu verwenden oder zu erwähnen, in welchem Ausmaß es um Frauen und um Männer geht.
Das Beispiel Landeshauptfrau zeigt, dass es auf die Entschlossenheit der Person ankommt, weibliche Bezeichnungen zu verwenden oder darauf zu verzichten. Als Waltraud Klasnic Landeshauptfrau der Steiermark war - die erste Frau in Österreich in dieser Position -, bestand sie darauf, "Landeshauptmann" genannt zu werden. Landeshauptfrau klinge weniger "mächtig", es habe den Beigeschmack von Haupt- und Nebenfrau.
Souveräner ging Gabi Burgstaller in Salzburg damit um, denn sie war vom ersten Tag an ganz selbstverständlich "Landeshauptfrau". Mit dem Resultat, dass sie auch so bezeichnet wird und dass stets von der Landeshauptleutekonferenz die Rede ist, wo früher die Landeshauptmänner tagten. Übrigens ist sie gerade deren Vorsitzende und freut sich, dass erstmals auch zugleich der Bundesrat eine turnusmäßige Präsidentin hat.
Es bereitet natürlich auch Vergnügen, einen Politiker als Landeshauptfrau-Stellvertreter zu bezeichnen, wobei die wenigsten Berichterstatterinnen aber so konsequent sind. Waren es einst feministische Kommunalpolitikerinnen (auch in Graz), die über Formulierungen wie "der Wahlmann" in Wahlordnungen stolperten und ihn durch die "Wahlfrau" ergänzen wollten, gibt es heute ein Gendertool für die Verwaltung. Vor ein paar Wochen wurde es von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gemeinsam mit Microsoft präsentiert.
Wünschenswert ist, wenn auch viele Unternehmen das Tool herunterladen und einsetzen, meinte die Ministerin. Die "Zeit im Bild" suchte in einer Vorwegnahme der Art und Weise, wie in Sachen Bundeshymne diskutiert wird, nach Alternativen für "Gast" und "Mitglied". Darüber haben sich aber schon früher Frauen den Kopf zerbrochen, eher als amüsantes Spiel, da Worte wie "Gästin" und "Mitklit" kreiert wurden.
Klischees verstärken die Vorurteile
Veränderungen werden nicht automatisch dadurch bewirkt, dass Frauen erwähnt werden. Jene, die sich dafür einsetzen, agieren ja auf vielen Ebenen. Hier wird vorgeschlagen, dass wieder eine Straße, ein Park, ein Platz nach einer "großen Tochter" benannt wird. Dort wird ein Preis geschaffen mit einer bekannten Frau als Namensgeberin, der junge Künstlerinnen oder Wissenschafterinnen ein Ansporn sein soll.
Und immer wieder wird thematisiert, dass es nach wie vor Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, dass Leistungen von Frauen weniger Anerkennung finden als jene der Männer oder dass überholte Ansichten zählebig sind und Frauen wie Männern das Leben in einer modernen Gesellschaft schwermachen.
Die "großen Töchter" seien ja nur ein "Symbol", klagen manche - die hoffentlich ganz eifrig dabei sind, etwas im "realen Bereich" zu verändern, wenn ihnen das "Symbolische" zu nichtig ist. Tatsächlich greift die Politik zum Symbolischen, wo sie nichts vorschreiben kann, sondern darauf setzen muss, dass die Menschen Rahmenbedingungen nutzen.
Man kann etwa auf Projekte für Mädchen in sogenannten nichttraditionellen Berufen hinweisen - aber hingehen müssen die jungen Frauen dann schon selbst. Das Schaffen von Möglichkeiten ist Realpolitik, das Bewerben mit einfach verständlichen Kampagnen bewegt sich auf der symbolischen Ebene. Nach Erfahrungswerten flaut das Interesse für andere Berufsausbildungen sofort ab, sobald beispielsweise die "symbolischen" Plakate mit coolen Sprüchen und Mädchenfiguren nicht mehr in der Straßenbahn hängen.
Die "Töchterhymne" ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, umfassende Bilanz über den Stand der Gleichberechtigung in unserem Land zu ziehen. Was prägt unser Bild von der eigenen Geschichte? Welche Rolle nehmen da die Töchter des Landes ein, wie sehen wir gegenwärtig lebende Frauen und Männer? Was erwarten wir von Frauen und Männern?
© Alexandra Bader
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