Leider tragen wir selbst allerhand zu diesen Schieflagen bei. Es ist eine außergewöhnliche Prüderie um die Frage, wie sich Geld und Kunstschaffende zu einander verhalten. Es gelingt mir beispielsweise seit Jahren nicht zu erfahren, wie die soziale Situation von Kolleginnen und Kollegen konkret aussieht.
Wenn jemand bekanntermaßen an einem Gymnasium oder am Grazer Ortweinplatz unterrichtet, an einer Fachhochschule oder Universität, kann ich mich an gängigen Gehaltsschemata orientieren. Mehr geht kaum.
Wir sind also in unserem Metier eher nicht gerüstet, kulturpolitische Debatten effizient zu entfalten, wo es um die soziale Lage von Kunstschaffenden in Österreich geht, da wir nicht einmal branchenintern einigermaßen klare Berufsbilder haben und deren Zusammenhänge kennen.
Plural! Berufsbilder sehr unterschiedlicher Art auf einem Berufsfeld, das sehr komplexe Formationen der Genres und der sozialen Situationen kennt. Eines lässt sich aber klar sagen: In Österreich sind Freelancers, die aus rein künstlerischer Arbeit ein adäquates Jahreseinkommen beziehen, die rare Ausnahme. Diesen Typus finden Sie fast nicht.
Licht von Kerzen, die Uhr zum Aufziehen, das Wasser vom Brunnen
und auch sonst schön bescheiden bleiben, weil die Kunst… Na, was eigentlich?
Warum das so ist? Das hat viele Gründe. Der heimische Markt trägt so was kaum. Auf dem internationalen Markt zu reüssieren ist dagegen ein sehr harter Job. Das muss man mentalitätsmäßig sowie kräftemäßig drauf haben UND mit seinem Oeuvre bestehen.
Eine bohemehafte Existenz mit antibürgerlichen Attitüden wird da in der Regel keinerlei Chance haben. Wer sich mit den Realitäten des Kunstmarktes und des Kunstbetriebes nicht auseinandersetzen möchte, wird auch nicht reüssieren können.
Das sind nur einige der Gründe, warum Kunstschaffende Österreichs vielfach im Schuldienst tätig sind, da und dort unterrichten, aber auch in möglichst kunstnahen Bereichen ihr Brot verdienen; oder bei der Sozialhilfe landen.
All das vor dem Hintergrund, dass Wissensarbeit in unserer Gesellschaft – wie schon erwähnt – nun seit geraumer Zeit konsequent abgewertet wird, wie es davor mit der Industriearbeit geschah und davor mit dem Handwerk.
Damit meine ich, polemisch verkürzt, die „Informationsgesellschaft“, wie sie sich nach der „elektronischen Revolution“ herausgebildet hat, vergrößerte zwar ihren Hunger nach Content in Quantensprüngen, aber die Bezahlung für die Arbeit daran ist in die Keller gefahren.
Zugleich verblüfft mich eine zunehmende „Verschnöselung“ der Mittelschicht, womit ich einen wachsenden Verzicht auf Grundkenntnisse kultureller und soziokultureller Themenstellungen meine. Damit meine ich, in meinem Milieu sind viele ganz offensichtlich zu blöd, einen gut begründeten, scharfen und kontinuierlichen Diskurs über Kunst und ihre Bedingungen zu führen. Das rächt sich.
Sie meinen, ich polemisiere? Da haben Sie Recht. Und es wäre ganz nett, wenn ich einige nachvollziehbare Einwände vorfinden könnte.
Martin Krusche