Es gibt Forderungen, wie jene von Anne und Peter Knoll, die lassen mich völlig ratlos, weil ich nicht kapiere, worauf sie abzielen und woraus sie geschöpft wurden. Ein derartiges Reglement fände ich freilich zum Davonrennen.
Es gilt in unseren Breiten als überaus unschicklich, am Boden Liegende zu treten. Demnach sollte ich den kulturpolitischen Diskurs in der Steiermark für ein Weilchen in Ruhe lassen. Der hängt mittlerweile nicht mehr bloß in den Seilen, sondern windet sich im Staub und wimmert.
Gut, sachte! Ich konzediere gerne, da sind doch einige professionelle Leute, die offenkundig wissen was sie tun und sagen können was sie meinen, deren Ansichten kohärent und verhandelbar sind. Dahinter tut sich dann aber eine fast endlose Plauderpartie auf.
Vieles schon gesagt
Wie ich zu dieser Einschätzung gelange? Ich hab mit dem augenblicklichen Lauf der Dinge folgendes Problem. Da haben nun wenigstens „Kleine Zeitung“ und „Krone“ dem Kultur-Milieu Platz eingeräumt, damit in loser Folge Stellungnahmen zur kulturpolitischen Situation der Steiermark erscheinen können. Dabei sollen sich, wie ich informell höre, vor allem Christian Buchmann, Peter Pakesch und Michael A. Grossmann angesprochen fühlen, aber insgesamt Leute aus Politik und Verwaltung.
Der „Bericht an den Gemeinderat“ ist nur eines von mehreren Papieren aus der jüngeren Vergangenheit, deren Echo mir doch jetzt niemand für teure Flächen in den Gazetten erneut herbeten muss.
Meine Sammlung der Artikel enthält, mangels Abonnements, nicht alle bisher erschienenen Diskursbeiträge, aber doch die meisten; geringe Lücken sind geblieben. Was zeigt sich dabei? Ich halte bloß wenige relevante Statements von sachkundigen Leuten in Händen. Das Gros der Beiträge erschöpft sich
a) in Wiederholungen längst gesagter Bemerkungen,
b) in larmoyantem Gesudere und
c) in einigen geradezu drolligen Beiträgen von kabarettistischer Qualität.
Wie komme ich denn zu solcher Einschätzung? Erstens habe ich diverse Studien der IG Kultur Steiermark gelesen. Zweitens, und das erscheint mir sehr wichtig, jenen „Bericht an den Gemeinderat“ (GZ: A 16 – 43623/2010-13), der nicht nur auf dem Grazer Kulturserver liegt, sondern auch von der IG Kultur promotet wird.
Endlosschleife statt neuer Weg
Somit brennt die Frage: Warum vergeuden etliche meiner Kolleginnen und Kollegen Medienpräsenz, Platz in den genannten Blättern, allgemeines Augenmerk, um mit ihren Aussagen teilweise nicht einmal das inhaltliche Niveau zu erreichen, welches ich in jenem Papier von „Bearbeiter: Dr. Peter Grabensberger“ finde? (Anmerkung der Redaktion als Hilfe für unseren Autor aus der Oststeiermark: Dr. Peter Grabensberger ist Abteilungsvorstand des Kulturamtess der Stadt Graz).
Allein den expliziten Untertitel „In Graz und der Steiermark“ empfinde ich als Ausdruck einer bewussten Gesamtschau der Theaterleute, zu der sich allerhand Aktive in anderen Genres nicht aufraffen wollen, die dann bestenfalls auf Urgenz hin betonen: „Ja, ja, ich hab eh nicht nur Graz gemeint.“
Warum wird jetzt vieles gesagt, was ohnehin schon gesagt wurde, was schriftlich festgehalten ist und dem politischen Personal übergeben wurde?
Da wäre dann auch noch ein detaillierter Evaluierungsbericht von Tasos Zembylas und Juliane Alton, satte 83 Seiten umfassend. Er ist als PDF unter dem gleichen IG-Link verfügbar. Neben diesen jüngeren Papieren gibt es auch eine interessante Arbeit mit dem Titel „Das kulturelle Profil der Stadt Graz“, 2007 von der „österreichische kulturdokumentation“ im Auftrag des Kulturamtes der Stadt Graz erstellt; aufschlussreiche 38 Seiten stark und hier als PDF gratis verfügbar.
Kaffee und Kuchen
Als ergänzende Lektüre möchte ich ein Dokument aus dem Jahr 2009 empfehlen: „Danach hat niemand gefragt. 10 Jahre ‚Das andere Theater’ in Graz und der Steiermark.“ Diese 160 Seiten sind kulturpolitisch anregend, bieten einen sehr anschaulichen Überblick, was diesen Bereich der steirischen Theaterszene ausmacht und ergeben so außerdem ein nachahmenswertes Beispiel, wie ein kulturelles, künstlerisches Metier sich selbst darstellen und nach außen kommunizieren kann.
Ich weiß, ich weiß, das Lesen kostet Zeit, Zeit ist kostbar. Aber lassen Sie mich phantasieren. Jemand verwendet einen Nachmittag, einen einzigen mickrigen Nachmittag, auf eine flüchtige Lektüre der hier genannten und leicht verfügbaren Dokumente. Zum Beispiel auf einem bequemen Sofa ruhend, zum Beispiel bei Kaffee und Kuchen.
Warum nicht auf einen netten Nachmittag bei Kaffee und Kuchen, um herauszufinden, wo der kulturpolitische Diskurs im Steirischen längst angekommen war?
Bloß ein gemütlicher Nachmittag des Schmökerns. Das ergäbe eine feine Übersicht, wo denn nun einige wesentliche Strömungen des steirischen Kulturgeschehens angelangt sind, welche Fragen das aufwirft, was davon schon zur Debatte stand, worüber Evidenz hergestellt werden konnte. Gäbe es eine breitere Kenntnis dieser Fakten und Zusammenhänge, gäbe es einen Hauch von gemeinsamen Anstrengungen der Branche, daraus auch Schlüsse zu ziehen, es müssten nun all die werten Kolleginnen und Kollegen nicht via „Krone“ und „Kleine“ erneut herbeten, was schon gesagt, verschriftlicht und übermittelt wurde.
Statt dessen könnten wir uns alle mit der nächsten Phase eines kulturpolitischen Diskurses befassen, mit den konkreten Umsetzungsfragen und den Platz in den Blättern, wie er so ja nicht alle Tage verfügbar ist, dafür nutzen, unser Schlüsse nach außen zu kommunizieren.
Wohlbekannte Klagelieder
Wir. Wir könnten. Wir? Ich hab kürzlich in meiner kleinen Polemik „Niemand hat mich gerufen“ konstatiert, dass es dieses „Wir“ nicht gebe, dass dieses „Wir“ von steirischen Kunst- und Kulturschaffenden im Reich der Fabeln und Legenden zuhause ist, aber nicht in dieser Welt. Blöd gelaufen!
Also bleibt der öffentliche kulturpolitische Diskurs in der Steiermark großteils eine Art Endlosschleife wohlbekannter Klagelieder; einige Professionals und deren Mitteilungen ausgenommen. Wie schon mehrmals erwähnt, einem Reinhard Braun, einer Astrid Kury, einem Anton Lederer, einer Margarethe Makovec etc. braucht man a) nichts zu erklären, erfährt b) von ihnen sehr klar, worum es ihnen im Betrieb geht und was zu tun sei. Das erfahren dann jeweils auch die Leute aus Politik und Verwaltung. In solchen Teilbereichen kommen die Dinge voran, selbst wenn zähes Ringen unvermeidlich bleibt.
Andere polemisieren bloß oder stammeln gar, verheddern sich in den Kategorien, wollen immer noch nicht unterscheiden, was denn nun Gegenwartskunst sei, was die Voluntary Arts und was Kunsthandwerk plus allerhand ambitionierte Bastelei. Ganz klar, dass Pakesch Ärger auslöst, wenn er „Von Schrebergärtnern und Selbsthilfegruppen“ redet, die ja tatsächlich einen Teil unseres Milieus ausmachen und die gleich laut kulturpolitische Forderungen stellen. Kein Einwand! Aber bitte etwas mehr Trennschärfe in den Beschreibungen, sonst wissen wir nicht, worüber wir eigentlich reden.
Wir werden vielleicht noch weitere zehn Jahre vergeuden, ohne geklärt zu haben, wer denn da nun mit welchen Intentionen und aus welcher Position spricht, wenn kulturpolitische Weichenstellungen zu debattieren wären. Pakesch sagte: „Was mir aber noch mehr Sorgen macht, ist dieses Schrebergarten-Denken, das heute nicht einmal mehr für die eingefleischtesten Gärtner das Ideal ist. Es werden zu sehr Partikularinteressen beachtet, Übergeordnetes zu selten gesehen.“
Naja, darüber kann man sich aufbudeln. Oder man kann seine Feststellung entkräften. Ich bitte um zweckdienliche Hinweise, welche Argumente das leisten könnten. Und ich bin auch für jeden aktuellen Link dankbar, der mich zu anregender Lektüre führt, in der ich einen besseren Eindruck vom steirischen Kunstbetrieb bekomme, als ich ihn offenbar habe.
© Martin Krusche, Jahrgang 1956, freischaffender Künstler, Exponent von „kunst ost“
Weitere Beiträge von Martin Krusche zum diesem Thema und zu anderen Themen sind hier.