Advent Es treibt der Wind im Winterwalde die Flockenherde wie ein Hirt, und manche Tanne ahnt, wie balde sie fromm und lichterheilig wird, und lauscht hinaus, den weißen Wegen streckt sie die Zweige hin, bereit — und wehrt dem Wind und wächst entgegen der einen Nacht der Herrlichkeit. Rainer Maria Rilke | |
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| Ein altes Kaminstück ... Draußen ziehen weiße Flocken Durch die Nacht, der Sturm ist laut; Hier im Stübchen ist es trocken, Warm und einsam, stillvertraut. Sinnend sitz ich auf dem Sessel, An dem knisternden Kamin, Kochend summt der Wasserkessel Längst verklungne Melodien. Und ein Kätzchen sitzt daneben, Wärmt die Pfötchen an der Glut; Und die Flammen schweben, weben, Wundersam wird mir zu Mut. Dämmernd kommt heraufgestiegen Manche längst vergeßne Zeit, Wie mit bunten Maskenzügen Und verblichner Herrlichkeit. Schöne Fraun, mit kluger Miene, Winken süßgeheimnisvoll, Und dazwischen Harlekine Springen, lachen, lustigtoll. Ferne grüßen Marmorgötter, Traumhaft neben ihnen stehn Märchenblumen, deren Blätter In dem Mondenlichte wehn. Wackelnd kommt herbeigeschwommen Manches alte Zauberschloß; Hintendrein geritten kommen Blanke Ritter, Knappentroß. Und das alles zieht vorüber, Schattenhastig übereilt - Ach! da kocht der Kessel über, Und das nasse Kätzchen heult. Heinrich Heine |
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Das Weihnachtsbäumlein Es war einmal ein Tännlein mit braunen Kuchenherzelein und Glitzergold und Äpflein fein. Und vielen bunten Kerzelein: Das war am Weihnachtsfest so grün, als fing es eben an zu blühn. Doch nach nicht gar zu langer Zeit, da stands im Garten unten, und seine ganze Herrlichkeit war, ach, dahingeschwunden. Die grünen Nadeln war`n verdorrt, die Herzlein und die Kerzlein fort. Bis eines Tag`s der Gärtner kam, den fror zu Haus im Dunkeln, und es in seinen Ofen nahm. - Hei! Tat`s da sprühn und funkeln! Und flammte jubelnd himmelwärts in hundert Flämmlein an Gottes Herz. Christian Morgenstern | |
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| In der Christnacht Ein Bettelkind schleicht durch die Gassen- Der Markt lässt seine Wunder sehn: Lichtbäumchen, Spielzeug, bunte Massen. Das Kind blieb traumverloren steh' n. Aufseufzt die Brust, die leidgepresste, Die Wimpern sinken tränenschwer. Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste- Ich weiß kein Leid, das tiefer wär. Im Prunksaal gleißt beim Kerzenscheine Der Gaben köstliches Gemisch, Und eine reichgeputzte Kleine Streicht gähnend um den Weihnachtstisch. Das Schönste hat sie längst, das Beste, Ihr Herz ist satt und wünscht nichts mehr. Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste- Ich weiß kein Leid, das tiefer wär. Doch gält' s in Wahrheit zu entscheiden, Wer des Erbarmens Preis verdient- Ich spräch: Das ärmste von euch beiden Bist du, du armes reiches Kind! Ottokar Kernstock
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Ein Gedicht über den Schnee Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche, bis auf den letzten Hauch von Leben leer; die muntern Pulse stocken längst, die Bäche, es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr. Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise, erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab, und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise, so gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab. Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend, wirft einen letzten Blick auf's öde Land, doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend, trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand. Christian Friedrich Hebbel | |
| Am Weihnachtsabend Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus. Weihnachten war's; durch alle Gassen scholl Der Kinderjubel und des Markts Gebraus. Und wie der Menschenstrom mich fortgespült, Drang mir ein heiser' Stimmlein in das Ohr: "Kauft, lieber Herr!" Ein magres Händchen hielt Feilbietend mir ein ärmlich' Spielzeug vor. Ich schrak empor; und beim Laternenschein Sah ich ein bleiches Kinderangesicht; Wes Alters und Geschlechts es mochte sein, Erkannt' ich im Vorübertreiben nicht. Nur von dem Treppenstein, darauf es saß, Noch immer hört' ich, mühsam, wie es schien: "Kauft, lieber Herr!" den Ruf ohn' Unterlaß; Doch hat wohl Keiner ihm Gehör verliehn. Und ich? War's Ungeschick, war es die Scham, Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? Eh' meine Hand zu meiner Börse kam, Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind. Doch als ich endlich war mit mir allein, Erfaßte mich die Angst im Herzen so, Als säß' mein eigen Kind auf jenem Stein, Und schrie' nach Brot, indessen ich entfloh. Theodor Storm |
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Wenn es Winter wird Der See hat eine Haut bekommen, so daß man fast drauf gehen kann, und kommt ein großer Fisch geschwommen, so stößt er mit der Nase an. Und nimmst du einen Kieselstein und wirfst ihn drauf, so macht es klirr und titscher - titscher - titscher - dirr ... Heißa, du lustiger Kieselstein! Er zwitschert wie ein Vögelein und tut als wie ein Schwälblein fliegen - doch endlich bleibt mein Kieselstein ganz weit, ganz weit auf dem See draußen liegen. Da kommen die Fische haufenweis und schaun durch das klare Fenster von Eis und denken, der Stein wär etwas zum Essen; doch sosehr sie die Nase ans Eis auch pressen, das Eis ist zu dick, das Eis ist zu alt, sie machen sich nur die Nasen kalt. Aber bald, aber bald werden wir selbst auf eignen Sohlen hinausgehn können und den Stein wiederholen. Christian Morgenstern | |
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| Von drauß' vom Walde komm ich her; Von drauß' vom Walde komm ich her; ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr! Allüberall auf den Tannenspitzen sah ich goldene Lichtlein sitzen; und droben aus dem Himmelstor sah mit großen Augen das Christkind hervor.
Und wie ich so strolcht durch den finstern Tann, da rief's mich mit heller Stimme an: Knecht Ruprecht, rief es, alter Gesell, hebe die Beine und spute dich schnell! Die Kerzen fangen zu brennen an, das Himmelstor ist aufgetan, Alt und Junge sollen nun von der Jagd des Lebens einmal ruhn; und morgen flieg ich hinab zur Erden, denn es soll wieder Weihnachten werden! So geh denn rasch von Haus zu Haus, such mir die guten Kinder aus, damit ich ihrer mag gedenken, mit schönen Sachen sie mag beschenken. Ich sprach: O lieber Herre Christ, meine Reise fast zu Ende ist;
ich soll nur noch in diese Stadt, wo's eitel gute Kinder hat. Hast denn das Säcklein auch bei dir? Ich sprach: Das Säcklein das ist hier; denn Äpfel, Nuß und Mandelkern essen fromme Kinder gern. Hast denn die Rute auch bei dir? Ich sprach: Die Rute, die ist hier; doch für die Kinder nur, die schlechten, die trifft sie auf den Teil, den rechten. Christkindlein sprach: So ist es recht; so geh mit Gott, mein treuer Knecht. Von drauß' vom Walde komm ich her; ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr! Nun sprecht, wie ich's herinnen find! Sind's gute Kind, sind's böse Kind? Theodor Storm |