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Ich glaub, mich tritt die Goaß! - Von Martin Krusche

Es soll und darf sich nichts ändern. Es darf sich nicht einmal was rühren. Ändert sich doch etwas, dann setzt es was. Das ist klar. Und wahr.

Muss man jeden Streit vermeiden? Darf man eine gute Krise vergeuden? 

Muss man jeden Streit vermeiden? Aber nein! Darf man eine gute Krise vergeuden? Sicher nicht! Der Grazer Kunstbetrieb ist an manchen Ecken sehr interessant und an vielen Ecken von entzückender Schläfrigkeit. Dort, an den Stellen solcher Schläfrigkeit, wo das Kunstvölkchen besonders schmerzempfindlich ist, gilt allemal: Es soll und darf sich nichts ändern. Es darf sich nicht einmal was rühren.

Gleich setzt es was!

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Selbst mein rechter Schuh macht mir Schwierigkeiten. Es ist eine Bürde, Künstler zu sein.

Ändert sich doch etwas, dann setzt es was. Das ist klar. Und wahr. Sogar. Sogar mein rechter Schuh weiß das und gab sich jüngst rebellisch. Gegen mich, denn wenn ich schon ein Künstler sein muss, dann sollte ich doch Künstlergram verstehen können und mich auf die Seite der Gramgebeugten stellen. Jederzeit. Bereit. Doch weil ich mich verstockt gebe, uneinsichtig, beschloss mein rechter Schuh, in seiner Sohle einen Riss zu öffnen. Ausgerechnet in diesen Tagen schlechten Wetters, wo mit Regen nicht gespart wurde und die Landwirtschaft schwere Hagelschäden erlitten hat. Mein Schuh, der Schuft, der Zickenschuh, scheint anzunehmen, wenn ich auch von oben keine Tränen beachte, soll ich wenigstens von unten nass werden. Damit ich mir das merke. Punktum!

Nun! Die entzückende Schläfrigkeit an abgewetzten Stellen des Grazer Kunstbetriebes lässt mich an den temperamentvollen Max Aufischer denken, mit dem ich einmal im Grazer Kunsthaus eine lebhafte Debatte hatte, die in Maxens Appell mündete, jeder Künstler solle zum Sofa werden.

Ich bin grad nicht ganz sicher, ob genau das die Conclusio war, aber doch. Jeder Künstler sei ein Sofa, anders geht’s nicht. Nicht in Zeiten wie diesen. In Zeiten, wo schlimme Dinge geschehen. (Legendäres Filmzitat, ich weiß aber nicht von wem: „Warum geschehen guten Menschen böse Dinge?“)

Auf Facebook besteht neuerdings eine „offene Gruppe“ unter dem Titel „Eichberg und Tannhaus“: Dort findet man Exponenten, die sich im Bedarfsfall recht geharnischt dagegen verwehren, dass in dieser oder jener Weise generalisiert werde. Ge-ne-ra-li-siiiiert!

Ein Beispiel, ein Zitat: „andere zu beschimpfen ("larmoyante schreihälse") auf basis von stupiden generalisierungen langweilt mich wiederum zu tode.“ Das lehnte jemand entschieden ab: „deshalb werde ich die gruppe hiermit verlassen“

Eweg ist er. Hiermit! (Ich glaub, „hiermit“ ist eindeutig Amtsdeutsch. Das sagt man nicht einfach so, wenn man Anstand hat.) Offenlegung: Das Zitat ist eine Replik auf eine vorerst eher private Mitteilung von mir, die ich dem Herausgeber Rüdiger Rüdisser, nein Rasender, äh, Heinz, Heinz! Rüdisser zu zitieren gestattet hatte. Hatten zu gestatten? Genau! So war das.

Wer sich gemeint fühlt, könnte es gewesen sein

Damit man mir besser folgen kann, zitiere ich mich nun selbst, wenigstens teilweise. Meine Mitteilung an Rüdisser begann mit den Worten, äh, Sätzen, also:

Was Du mir da gezeigt hast, langweilt mich zu Tode. Graz hat ein paar Professionals, die sich mit dem Lauf der Dinge klug auseinandersetzen und adäquate Reaktionen zeigen. Dann wäre da noch ein großer Haufen larmoyanter Schreihälse, die sich immer nur dann um Fragen der Kunstvermittlung und Kulturpolitik scheren, wenn ihnen individuell was auf den Kopf fällt, wenn also ihr privates Wohlergehen leidet.“

Wer nun aufzeigt, wird wohl gemeint sein. Aber es stünde allen frei, sich auch im zweiten Satz dieses Absatzes gemeint zu fühlen. Ich nenne bei Bedarf gerne ein paar Beispiele für die Klugen. In solchen Fällen verweise neuerdings ganz gerne auf das Themenpapier „ZUR LAGE DER BILDENDEN KUNST IN GRAZ“, das nicht ausschließlich von klugen Professionals unterzeichnet wurde, aber doch von etlichen. 

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Vaflixt! Schon der zweite Ferrari, den ich wegen schlecht gehender Geschäfte auf dem Kunstfeld wieder verklopfen muss.

Aber klar, gewöhnlich tun wir so was nicht. Namen nennen und Kompetenzen zuschreiben; oder auch deren Mangel. Nein, das gehört sich nicht. Außer ich wäre Politiker. Oder Beamter. Dann müsste ich mir derlei schon sagen lassen. Oder als „Erbsenzähler“. Was ich für eine Nulpe sei, eine Knallcharche, kurzsichtig; ja, das bin ich tatsächlich. Sehr kurzsichtig, wie die Dicke meiner Brillen offenlegt.

Hier kam ja überhaupt einer der erhellendsten wirtschaftlichen Befunde, den ich in letzter Zeit zu lesen bekam. Kurz zusammengefasst: Medienkonzern fährt bei den „Ostlern“ Verluste ein und kompensiert die, indem seine Erbsenzähler den Platz für literarische Texte aus der Steiermark streichen.

Das ist zwar nicht sehr plausibel, aber ja, so muss es gewesen sein. So macht man das. Im Originaltext:


>>Die Unterzeichneten protestieren gegen die Einstellung externer Textformate in der „Kleinen Zeitung“ („Exit Graz“ in G7, „Stadtflaneur“ im Grazer Lokalteil u.a.). Es ist eine kurzsichtige Konzern-Strategie, die kolportierten Verluste im Ost-Geschäft durch rigide Kürzungen in jenen Bereichen, die Ihrem Blatt ein gewisses Renommee bei denkenden Menschen gesichert haben, wettzumachen. Eine rein betriebswirtschaftliche Sicht geht erfahrungsgemäß zu Lasten des Qualitätsanspruchs. Und sie kostet mehr Leserinnen und Leser, als sich das Erbsenzähler, die nur Bilanzen lesen, vorstellen können…<<

Frido zum Telefon!

Wenn wir nun bloß wüssten, ob der Frido das schon weiß und, falls ja, was er dazu sagen möchte, denn der ist doch gewiss kein Erbsenzähler und mutmaßlich auch nicht genötigt, Bilanzen zu lesen. Aber was machen wir, falls der Frido sagt:

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Womöglich ist der Frido Schuld. Mindestens ein Bisserl. (Es sind nämlich immer andere schuld!).

„Als keineswegs unerhebliches Mitglied der Kulturredaktion muss ich Euch reinen Wein einschenken. Was inzwischen an Texten so daherkam, ähem, räusper, hüstel, schwächelt ein Bisserl. Und es wäre vielleicht nix passiert, aber da war doch, Ihr erinnert Euch gewiss, diese deprimierende Serie, wo Ihr, na, Kulturpolitik, diese Quo-vadis-Sache; also wenn Ihr mir daaa vor unserem Generaldirektor den Rücken gestärkt hättet und wenn dann, ich sag es nur ungern, wenigstens die Hälfte der Beiträge, also, Leute!, das kann doch wirklich nicht zu viel verlangt sein, wenn also die Hälfte der Beiträge, irgendwie, na, so iiiirgendwie, ein Alzerl, ein Bisserl brillant gewesen wäre, einen Hauch grenz-brillant, Ihr versteht mich doch, ja, dann hätte ich im Blatt für die Grazer Szene Boden sichern können. Aber so, hüstel, räusper, also, was soll ich sagen, ich stand da, ich bin da etwas verlegen herumgesessen, und ich hab mich wirklich bemüht, das Gute in allem zu sehen, aber ich hab Blatt um Blatt aus der Mappe genommen, weil ich meinen General ja nicht verscheißern kann. Ich hab geschaut, was kann ich ihm davon guten Gewissens hinlegen um zu sagen: …“

Gut, das soll der Frido selber erklären. Also diese Eichberger’sche Protestnote, so knapp und trocken, ganz in richtigem Erbsenzähler-Deutsch, ohne Schneid, kein: „J’accuse!“ Statt dessen ein „Die Unterzeichneten protestieren…“

Meine Lieben, das geht einfach nicht! Wenigstens die Autorinnen und Autoren unter Euch sollten mir zustimmen können: Die besten Einwände gegen eine Streichung von Kolumnen-Fläche im Blatt sind doch… hervorragende Texte. Auf den Tisch damit! Nicht etwa Protestnötchen. Wir, die Unterzeichneten… Fehlte bloß noch:
Mit vorzüglicher Hochachtung!
Ihre Heimsuchung.

Oder:
Gezeichnet!
Ihr schlimmster Albtraum

Aber soooo? Guy Debord zitieren und dann: „Die Unterzeichneten protestieren…“ Nein, das ist zu peinlich. Tut mir sehr leid.

J’accuse!

Ich würde nicht protestieren. Ich hätte gesagt: Frido, jetzt kriegst du Ärger. Und zwar ziemlich dick. Alle werden es hören. Ganz Graz. Sie werden sich amüsieren wie blöd und du wirst mich hinterher auf deinen wunden Knien anbetteln, einen Vertrag über die Lieferung weiterer 24 Glossen zu unterschreiben. Du wirst sagen: Hier ist eine leere Stelle auf dem Papier. Setz da den Betrag deines Honorares selbst ein!“

Ich klage an!

Gestatten Sie mir, dass ich in meiner Dankbarkeit für die wohltuende Gelegenheit, die ich nun bei Ihnen gefunden habe, heute Ihren berechtigten Unmut mir am Herzen liegen lasse und Ihnen sage, dass Ihr bisher so glückhafter Stern von den allerschimpflichsten und unauslöschlichsten Flecken bedroht sei!

Ein Kolumnist, dem Widrigkeiten seines Lebens den Esprit versiegen lassen, müsste die Courage haben, sich eines Sekundanten zu versichern, eines scharfzüngigen Weggefährten mit ungestümem Temperament, der ihm zur Seite springt in diesen Stunden höchster Not, da Witz und Weitsicht nicht und nicht erreichbar scheinen, der eine Feder schwingt, als wär' sie ein Rapier, um …

Nein, Schluss mit solchen Faxen! Diese Art von Maskerade hat mein Held Emile Zola doch nicht verdient. Ich rufe einen billigeren Zeugen, den alten Kampfgenossen aus den Tagen, als wir in Österreich dem „Errorismus“ Boden sichern wollten, den Erroristen und brachialen Dichter Hansi N. Neststreu, der sich ganz gern an Cyrano de Bergerac begeistert, einem kitschigen Gascogner, einem üblen Raufbold und miserablen Dichter. Ich zitiere ein Textchen, das der Hansi dem Cyrano gewidmet hat:

was lacht der schelm?
was blickt er frech?
das werd ich ihm verleiden!
da hilft kein helm,
wenn ich ihn stech.
da drück ich ihm die beiden
vermaledeiten augen zu,
mit denen er mich stolz betrachtet.
das grinsen wird ihm schon vergehn.
die sache regle ich im nu.
der kerl wird ins grab verfrachtet.
den laß ich meine klinge sehn.

männerstolz.
geist und mut.
hartes holz.
schneller stahl.
hübscher hut.
hühnerstall!

Soweit mein Freund, der Brachialdichter Hansi N. Neststreu, aus Überzeugung „Errorist“ und den Gigerln wie Stutzern nicht gerade zugetan. Gut. Nun. Hier geht’s um Kulturpolitik. Um Medienpolitik. Um Blattkritik. Um Backhendel. Um meine und Eure Zukunft, gewissermaßen. Da es die „Kleine Zeitung“ mit ihrer Peripherie meint, wird uns der Frido noch allerhand erklären müssen. Das ist klar. Bis der das tut, werden wir gründlich ausschlafen und uns ein paar Artigkeiten überlegen.

Derweil und zur guten Nacht noch ein paar erbauliche Reime von einem der sich wahrlich auf’s Reimen versteht: Der gewissenlose Hansi N. Neststreu:

kunst für geld!

ich will fürs dichten kohle haben!
knödel. gerschtl. flinz. marie.
sonst mach ich euch den ganzen laden
so flach und ausgefranst wie nie.
ich scheiß auf euer feuilleton
und auf das nabl-institut.
was die da schreiben, kenn ich schon.
ich seh auf euren nasen blut,
wenn ihr mir weiter komisch kommt
mit syntax, wortwahl und so sachen.
(kein reim am ende dieser strophe!)

ha! macht das spaß, auf euch zu pissen.
nicht künstlerisch, wie einst der brus.
und nicht so kunstvoll angeschissen,
wie durch der aktionisten ruß.
ich will das geld, das ihr verpledert.
ich schick euch in ein bergwerk hackeln.
da werdet ihr erst abgeledert,
um euch auf jahre einzusackeln.
auf wiederschauen, tschüss, baba!
denn heute war der räuber da.

(Fortsetzung folgt!)

© Martin Krusche, Jahrgang 1956, freischaffender Künstler, Exponent von „kunst ost

Weitere Beiträge von Martin Krusche zum diesem Thema und zu anderen Themen sind hier.

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